In dieser Rubrik veröffentliche ich Hintergrundartikel und Reportagen zu wichtigen Themen aus dem Wahlkreis und dem Landtag

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Impressionen und Erfahrungen in Togo

3. Teil: Vom Wetter, SIM-Karten und einem seltsamen Cocktail

Die ersten tropischen Klimaerfahrungen waren auch sehr interessant. Und damit meine ich den gefühlt tagtäglichen Saunabesuch. Die Hitze in Deutschland ist eine ganz andere und auch wenn sich 35 Grad wärmer als 27 Grad in Togo anhören, so werde ich mich wahrscheinlich nie mehr über zu warmes Wetter zu Hause beklagen, denn da ist es eine wesentlich trockenere Angelegenheit. Es herrscht eine immer währende Hitze, die in der Regenzeit mit fast täglichen Regengüssen leicht abgemildert wird, aber in der einen trotzdem das Nichts-tun zum Schwitzen bringen kann.

Bereits am ersten Tag sind so einige komische Dinge passiert, das Highlight war allerdings das mit dem SIM-Karten. Die Leute von ASTOVOT waren so unfassbar lieb und haben uns togolesische SIM-Karten besorgt. Das Problem daran war nur, dass sie meist zu groß für unsere Handys waren und bevor sich jemand von uns Freiwilligen darüber ärgern konnte, dass wir nun neue benötigten, kam jemand mit einen Knipser um die Ecke und fing an zu schnippeln. Vielleicht kann man das immer so machen, ich jedenfalls habe es zuvor so noch nie gesehen und behalte eine bizarre, aber amüsante Erinnerung daran. (PS: Bei jedem funktionierte das technische Bastelwerk einwandfrei!)

Als ich eines Abends auf den Hof zu den anderen Freiwilligen schaute, flogen mir Plastikvögel entgegen. Ja, im wahrsten Sinne des Wortes, denn meine wunderbar kreativen Mitfreiwilligen kamen auf die Idee, die Plastiksachets (in denen Getränke verkauft wurden) Origamifluggeschosse zu verwandeln. Auch wenn sie mehr Deko sind, war der erste Anblick etwas verdutzend, und gleichzeitig eine super coole Aktion!

Meine erste Bar- und Tanzerfahrung war ziemlich schön. Unter freiem Himmel zu tanzen und ganz ausgelassen zu sein, war ein unfassbares Gefühl von Freiheit. Diese wollte ich eigentlich mit einem super leckeren Cocktail genießen, da die anderen alle Bier tranken. Leider wurde ich immer wieder vergessen, so dass sich meine Vorfreude auf einen „Youki“ auf 30 Minuten steigern konnte. Ob er blau, rot oder orange wäre?

Letztendlich war es eine kleine Glasflasche mit orange farbigem Inhalt und der erste Schluck war unerwartet... süß. Nach ein paar Schlucken fragte einen Einheimischen. Der erklärte mir, dass der Cocktail „Youki“ ein süßes Erfrischungsgetränk, wie Fanta sei und bekringelte sich nebenbei vor Lachen als er mein enttäuschtes Gesicht sah.

Tja, andere Länder, andere Vorstellung von Cocktails.

 

Impressionen und Erfahrungen in Togo

2. Teil: Erste Eindrücke

Erste Eindrücke

Warm, kuschelig und holpernd.

Das war mein erstes Resumee nachdem wir bei unserer Ankunft am Flughafen von ASTOVOT mit einen Kleinbus zu unserer Unterkunft abgeholt wurden. Und diese erste Fahrt in Togo war wirklich ein besonderes Erlebnis, denn obwohl man auf den Straßen aufgrund der Dunkelheit nicht viel erkennen konnte, war es meine erste Begegnung mit dem Land, in dem ich für das nächste Jahr mein zu Hause finden werde. Die Fahrt war dank der Straßen ein wenig holprig.  Die SCI-Freiwilligen und ich empfanden außerdem einen leichten Kuschelaspekt, denn dieser Bus erschien uns für 8 Personen verhältnismäßig klein, zumindest bis wir am nächsten Tag zu insgesamt 20. darin Platz fanden.

- Erste Erkenntnis - Wie unfassbar verwöhnt wir doch sind!

Es war gar kein Problem mit so vielen Personen transportiert zu werden. Natürlich ist es die ersten Male ein lustiges und gruppenprägendes Erlebnis gewesen, da es noch sehr ungewohnt und ein wenig abenteuerlich war. Aber mal ehrlich, es ist doch viel umweltschonender und effizienter auf ein überbewertet-komfortables Gefühl zu verzichten und dafür mehr Personen von A nach B bewegen zu können, wobei ich hierbei noch  anmerken möchte, dass die wenigsten Fahrten anstrengend, wenn auch sehr heiß, waren. 

Unsere Unterkunft für die erste Woche war ein großes, mehrstöckiges Haus, in dem wir in 2- und 3- Bettzimmern schliefen. Für jede Etage gab es große Aufenthaltsräume mit einem Balkon, sowie geflieste Badezimmer mit Duschköpfen. Gegessen haben wir in dem recht geräumigen Hof, nachdem in dem Küchenraum alles zubereitet wurde. Das Haus war für den Anfang großartig, denn es bot so viel räumliche Kapazität, dass sich jede*r Freiwillige*r auch mal zurück ziehen und alleine sein konnte. Außerdem hat mich die Unterkunft stark an ein Hostel in Deutschland erinnert, weshalb ein „Kulturschock“ hinsichtlich der Unterbringung erst einmal kein großes Thema war.

Dafür wurden wir aber mit vielen anderen Eindrücken konfrontiert, die wir erst einmal zu verarbeiten hatten, angefangen bei dem Grundbedürfnis essen.

Das Essen war für mich persönlich zu Beginn eine große Herausforderung, denn die meisten Togolesen lieben Fisch, so dass eigentlich immer damit oder zumindest mit Fischpulver gekocht wird. Meine Essbeziehung zu Fisch ist allerdings eher … nicht vorhanden, da ich ihn lieber im Wasser als auf meinen Teller sehe. Nach einigen Tagen gab es dann aber auch eine vegetarische Alternative. Wie sich die Esskultur sonst verhält könnt ihr im nächsten Beitrag nachlesen.

Wenn ich nun vom Trinken schreibe, meine ich zuerst einmal die alkoholfreie Variante. Aufgrund des tropisch-feuchten Klimas von Togo liegen die Temperaturen immer durchschnittlich 27 – 30 Grad Celcius, weshalb die Trinkwasserversorgung extrem wichtig ist. Am Tag sollte man so zwischen 3-6 Liter trinken und obwohl mich diese Information zu Beginn wie ein Kamel fühlen lassen hat, habe ich in der ersten Woche immer bis zu 5 Liter am Tag getrunken. Hierfür konnte ich aber nicht einfach an den Wasserhahn gehen, ohne Gefahr zu laufen Magen-Darm-Problem zu bekommen, weshalb es für alle Freiwilligen sogenannte Sachets gibt.

Diese Sachets sind kleine Plastikbeutel, die ein Wasservolumen von 500ml beinhalten. Um etwas daraus trinken zu können, muss man eine kleine Ecke abbeißen und kann dann genüsslich daraus zutschen. Oder eben das Wasser in den Mund drücken. Könnt ihr euch vorstellen, wie wahnsinnig untalentiert wir uns zu Beginn damit angestellt haben? Das hat dann auch immer für viel Belustigung innerhalb der Gruppe gesorgt und somit wurde jedes „Ich hole mir mal ein Wasser.“ wie zu einem kleinen, amüsanten Theaterbesuch.

Auch die Auswahl an alkoholischen Getränken war ungewohnt. Es gibt sehr viel Bier zu kaufen, wer das, so wie ich, nicht pur mag, kann es sich mischen. Außerdem gibt es Ananas- und Kaffeegin, der in kleinen Sachets verkauft wird. Mir persönlich ist der Ananasgin zu stark, weil er nach Stroh80 mit ein bisschen Sirup schmeckt. Der Kaffeegin ist trinkbar, auch wenn bereits zwei für einen ganzen Abend reichen. Und dann gibt es nach togolesischen Spezialschnaps, namens Sodabi. Für die alkohol-interessierten Leser sei aber gesagt; selbst für die Togolesen ist dieses Gebräu sehr stark und nur in kleinen Maß genießbar, da es durchaus möglich ist, dass es einen vom Hocker haut.

 

Einmal bitte To Go ! - Impressionen und Erfahrungen in Togo

Wie alles begann, mit wem und warum

Es begann mit der Frage was ich nach meinen Abitur machen möchte, wohin die Reise beruflich gehen soll und ob ich gleich anfange zu studieren oder mir erst mal eine Pause nehme?

Nun, beruflich steht für mich schon des längeren fest, dass es entwicklungspolitisch sein soll, oder/mit Bildungsarbeit. In jedem Fall ein Job in einer Organisation, die sich für die Gesellschaft einsetzt und stark macht.

Für das Studium schwebt mir Staatswissenschaften oder Politikwissenschaften vor, wobei mich der Gedanke des baldigen Lernens ein wenig deprimierte. Und deshalb war für mich irgendwann klar, dass es eine gute Auszeit, sowie Berufsvorbereitung ist, genau das zu tun, was ich immer schon gerne mache: möglichst viel Neues kennenlernen und mich selber herausfordern.

Da mich andere Kulturen ebenso interessieren, wie der Umgang und die Arbeit mit Menschen entschied ich mich für einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst in Togo und fand eine wunderbare Organisation, die mich dabei unterstützen sollte; der SCI (Service Civil International)

Und so begann am 10/09/2017 meine große Reise ins unbekannte Abenteuer! Dass das allerdings sehr viel Arbeit ist, habe ich wohl unterschätzt und mit was ich wohl am wenigsten gerechnet hätte, war mein vorzeitiger Abbruch aus gesundheitlichen Gründen.

 

Die Geschichte des Erfurter Judenpogroms von 1349 – Mord aus wirtschaftlichem Interesse

Die Geschichte des Erfurter Schatzes ist bereits von vielen Seiten untersucht und eingeordnet worden. Neben der Tatsache, dass er ein kulturelles Kleinod ist und Zeugnis über die damaligen Ereignisse ablegt, legen die aktuellen Studien aber auch Erschreckendes offen: offenbar war bei dem Pogrom nicht nur ein aufgehetzter Mob unterwegs, sondern die Ereignisse wurden von allerhöchster Stadtstelle geduldet.

Im Rahmenprogramm der Sonderausstellung zu den Judenpogromen finden in der Alten Synagoge viele interessante Veranstaltungen statt. Unter dem Titel "… euch hindert hieran nymandt – Politische Hintergründe und wirtschaftliche Auswirkungen des Pogroms von 1349 in Erfurt" hatte der Erfurter Kulturdirektor Tobias Knoblich mit Christian Maria Weigelt und Hardy Eidam zwei sehr gut informierte Gesprächspartner eingeladen.

Eines wurde gleich zu Beginn des Gespräches klargestellt: die Pogrome können nicht auf die Anschuldigungen zurückgeführt werden, die Juden hätten die Brunnen vergiftet und dadurch die Pest in die Stadt gebracht. Dies wird bereits in der zeitgenössischen Peterchronik bestritten. Sondern sie wurden offenbar die Opfer eines mehr oder weniger planvollen Vorgehens der Stadtspitze der damaligen Zeit.

Zunächst zeichnete Weigelt ein Bild der Zeit: In den Jahren 1348 und 49 fanden zahlreiche Pogrome gegen die Juden in vielen deutschen Städten statt. Auch in Thüringen fanden im Februar 49 bereits erste Judenmorde, u.a. in Gotha, Eisenach und Ilmenau statt. Es ist davon auszugehen, dass viele Juden aus diesen Städten in Erfurt Zuflucht suchten, denn die Situation der jüdischen Gemeinde der Stadt galt als einigermaßen gesichert. Eine fatale Fehleinschätzung. Denn der Rat der Stadt hatte im Einvernehmen mit einflussreichen Patrizierfamilien offenbar bereits versucht, sich durch Gesandte und Briefe gegen die Folgen eines möglichen Judenmordes abzusichern. Und so wurde, unter dem Einfluss der Patrizier und dem Stillhalten des Rates die Bevölkerung aufgewiegelt und zur Plünderung des Judenviertel aufgefordert.

Was denn die wirtschaftlichen Folgen dieses Vorgehens gewesen sei, fragte Knoblich in die Runde. Und die Antwort Eidams war kurz und eindeutig: „Erfurt wurde durch diese Pogrome noch reicher“ Und damit erklärt sich auch der Antrieb für die Gewaltexzesse: Grundstücke, Häuser, Vermögen und vor allem Schuldscheine sollten in die Hand der Stadt gebracht werden.

Allerdings verloren die „Anstifter“ offenbar ihren Einfluss über den mordenden Mob. Denn anstatt sich nur an den Menschen zu vergehen, wurde geplündert und die Häuser der Opfer in Brand gesteckt. Das belegen die Protokolle der Verhöre, die mit den verhafteten „Aufständischen“ nach den Taten geführt wurden. „Das Wort Judenmord wurde nicht einmal verwendet“ so Weigelt. Stattdessen ging es ausschließlich um den wirtschaftlichen Schaden für die Stadt, den die Angeklagten durch Plünderung und Brandschatzung angerichtet hätten.

„Einen Pogrom als wirtschaftlichen Aneignungsprozess“ nannte Knoblich dies später und Eidam skizzierte den Umfang des Mordens: ca. 800 Juden wurden getötet, von Überlebenden gibt es keinerlei Spuren. Allein dieses Ergebnis zeigt, wie genau diese Taten geplant und letztendlich umgesetzt worden sind. Ein schreckliches Vorzeichen dessen, was knapp 600 Jahre später in ganz Europa umgesetzt wurde.

Zum Podium:

Tobias J. Knoblich:             Kulturwissenschaftler, seit 2011Kulturdirektor der Stadt Erfurt und Vizepräsident der Kulturpolitischen Gesellschaft

Hardy Eidam:                       Geschichtswissenschaftler und Oberkurator der Erfurter Geschichtsmuseen und ehem. Direktor des Stadtmuseums Erfurt

Christian Maria Weigelt:    wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Hochschule für jüdische Studien in Heidelberg

 

Ein Nahversorger der besonderen Art: die Apotheke

Ein Schreiben der Apothekerkammer zum „Tag der Apotheke“ habe ich zum Anlass genommen, mich mit der Situation der Apotheken in meinem Wahlkreis zu beschäftigen.

Um es aber nicht nur bei der Theorie zu belassen habe ich auch einen Termin mit einer Apothekerin vereinbart.

Ausgangspunkt des Gesprächs war die Auswirkung des EuGH-Urteils zum Thema Rabattgewährung ausländischer Versandapotheken für deutsche Kunden (mehr dazu [HIER]). Dem Urteil zufolge ist es ein nicht zulässiger Nachteil für ausländische Apotheken, dass sie nicht wie die Deutschen keine Rabatte auf Arzneimittel gewähren dürfen. Nicht ohne Grund hat der deutsche Gesetzgeber bei uns die Preisbindung für (rezeptpflichtige!) Medikamente festgeschrieben, argumentiert die Apothekerin. Denn damit ist gewährleistet, dass alle Patienten überall in der Republik ihre Medikamente zum gleichen Preis bekämen. Würde diese Bindung aufgehoben, hätte dies schwerwiegende Konsequenzen: der beginnende Preiskampf würde insbesondere kleine Apotheken (in der Fläche) ins wirtschaftliche Aus befördern und damit ein weiterer Grund für die Bindung, nämlich die flächendeckende Versorgung, ebenfalls gefährden.

Dem Argument, in der Fläche könne doch dann die Versorgung über das Internet geschehen, entgegnete sie - und dies aus meiner Sicht nachvollziehbar - , die fachliche Beratung in einer Apotheke sei in keiner Weise durch eine Internetbestellung zu ersetzen.

Anschließend lernte ich, dass die Dienstleistung „Apotheke“ ein sehr streng reglementierter Bereich ist. Die Dokumentationspflichten sind sehr umfangreich und aufwändig, das nötige Fachwissen sehr umfangreich. Nicht umsonst ist der Beruf des Apothekers nur durch ein Studium zu erlangen, dass zudem immer wieder fachlich erweitert wurde. Doch moderne Technik hilft auch hier. Bei Stammkunden, die entsprechend eingewilligt haben, werden die ausgegebenen Medikamente gespeichert und bei jedem neuen Kauf abgeglichen. So werden Unverträglichkeiten oder gar Gegenindikationen ausgeschlossen. Besonders hingewiesen wurde ich auf das Modellprojekt ARNIM (Arzneimittelinitiative Sachsen-Thüringen) der Apothekerkammern, der kassenärztlichen Vereinigung und der AOK-Plus. Hierbei geht es um das Medikamentenmanagement bei Langzeittherapien bzw. Dauerverschreibungen. Die Apotheke hilft –salopp gesagt - den Patienten, die Übersicht zu behalten und prüft insbesondere die Verträglichkeit der unterschiedlichen Wirkstoffe. Damit wird sichergestellt, dass alle Medikamente, egal welcher Arzt sie verschrieben hat, zueinander passen. (mehr dazu [HIER]. Das besondere an ARNIM: für diese Überprüfung, für diese Leistung, erhalten die Apotheken eine Honorierung – erstmals.

Damit waren wir endgültig bei der wirtschaftlichen Situation der Apotheken angekommen. Es sei richtig, dass die Apotheken einen festgesetzten Anteil (10% vom Preis des Medikaments) erhalten. Allerdings führen sie davon einen Rabatt von 2,4% an die Kassen ab, vom Rest ist alles zu finanzieren: das Geschäft (incl. evtl. Kredite durch Aus- oder Umbau), das Personal und nicht zuletzt das Salär des Apothekers selbst. Zurzeit hilft noch das Berufsbild des Pharmazieingenieurs aus DDR-Zeiten, die ähnliche Befugnisse wie ein Apotheker haben und diesen auch vertreten dürfen. Aber geringer entlohnt werden. Da es diese Ausbildung nicht mehr gibt, werden zukünftig auch hier die Kosten durch die notwendige Anstellung von Apothekerinnen und Apothekern steigen. Da sich ihre Apotheke nicht im Bereich einer Einkaufspassage oder einem großem Ärztehaus befindet, fehlen zudem die Einnahmen durch Laufkundschaft. Reichwerden sieht anders aus, denke ich.

Abschließend habe ich mir die Logistik angeschaut, die eine Apotheke am Laufen hält. Zweimal am Tag wird bei einem Großhändler bestellt: der Computer überwacht den Lagerbestand und macht Bestellvorschläge. Diese werden aber von ihr noch einmal überprüf denn: der Apotheker muss alle Medikamente sofort bezahlen und erst nach Verkauf und Erstattung durch die Krankenkassen kommt das Geld wieder zur Apotheke zurück. Wird dann vielleicht noch ein Fehler gemacht, ein Rezept falsch abgerechnet, dann kann der Streit um die Erstattung auch mal vier Jahre dauern. Der Bestellvorgang ist also immer auch in Zusammenhang mit den liquiden Mitteln zu sehen – die Inanspruchnahme des (teuren) Dispokredits aber manchmal dennoch unerlässlich.

Nach einem Rundgang durch die Räume mit den bekannten Wänden von Rollschubladen, und dem Labor mit den Gläsern voller verschiedener Wirkstoffe und verlasse ich die Apotheke mit dem Gefühl, das dieser Beruf zumindest in kleinen Apotheken eine Menge Idealismus erfordert.

Besonders einen Satz habe ich mir gemerkt: Sie sei Apothekerin mit Leib und Seele. Aber sie wolle keine Medikamentenausgabestelle sein, sondern eben Menschen beraten, ihnen helfen. Und manchmal auch Kummerkasten sein. Respekt.

UPDATE:

Bundesgesundheitsminister Gröhe hat angekündigt, den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln verbieten zu wollen. Dazu hat Kathrin Vogler, meine Kollegin und gesundheitspolitische Sprecherin der Bundestagfraktion, folgende Mitteilung herausgegeben:

Medikamente gehören in die Apotheke

„DIE LINKE im Bundestag begrüßt die Entscheidung des Bundesrats zum Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Medikamenten. Mit dem Beschluss ist ein wichtiger Schritt zur Sicherstellung der wohnortnahen und qualitätsgesicherten Apothekenversorgung getan. Nun liegt es an der Bundesregierung, die Initiative aufzugreifen und zügig einen Gesetzentwurf in den Bundestag einzubringen“, erklärt Kathrin Vogler, gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, zum entsprechenden Votum der Länderkammer. Die Landesregierungen von Brandenburg und Thüringen, in denen DIE LINKE das Gesundheitsministerium leitet, hatten sich in den Beratungen des Gesundheitsausschusses im Bundesrat für den Beschluss stark gemacht. Vogler weiter:

„Medikamente gehören in die Apotheke, nicht in den Pakettransporter. DIE LINKE spricht sich schon lange für ein Versandverbot für rezeptpflichtige Arzneimittel aus. Nur so kann sichergestellt werden, dass auch kleine Apotheken im ländlichen Raum eine Zukunft haben. Eine Versorgung rund um die Uhr, umfassende Beratung und Kooperation mit Ärzten vor Ort – das kann nur eine inhabergeführte Apotheke garantieren, kein internationaler Versandhandel. Nicht ohne Grund ist der Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Medikamenten nur in sieben EU-Ländern erlaubt.“

 

 

„In Marbach soll eine Moschee gebaut werden“

Es geht nicht um Freiheit - es geht um gezielte Diskriminierung

Die Nachricht verbreitete sich sprichwörtlich wie ein Lauffeuer in der Stadt. Natürlich besonders in Marbach

Sofort wurden die berechtigten verfassungsrechtlichen Argumente des Grundgesetzes zitiert, die da lauten: „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.“ (Artikel 3 GG). Und: „Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.“ (Artikel 4 GG)

Ja, das sind unsere Werte.

Ja, das sind die Grundlagen unseres Miteinanders.

Ja, dies sind unsere gewachsenen Erfahrungen und Traditionen.  

Dennoch waren Fragen, Probleme, Sorgen, Nöte, Ängste und Befürchtungen von Bürgerinnen und Bürgern mindestens genauso schnell im gesellschaftlichen Diskurs, anknüpfend an die Debatte im Rahmen der Flüchtlingsprobleme und deren Wirkung und Auswirkungen in unserem Leben.  

"Die kommen doch nur, um an unserem Wohlstand teilhaben zu wollen".

"Uns soll mit dem Islam die Scharia übergestülpt werden".

Und letztlich immer wieder die Feststellung von Bürgerinnen und Bürgern: Wir sind nicht gegen Flüchtlinge. Wir sind auch keine Nazis, aber warum wird bei uns die Moschee gebaut? Jene Argumente, Befürchtungen und Ängste verstärkten sich durch Vorfälle wie Schlägereien in Aufnahmeeinrichtungen, Eigentumsdelikte oder Berichten über zunehmende sexuelle Belästigungen und Übergriffe wie in der Neujahrsnacht in Köln. Sofort sind auch die einfachen Antworten parat. Nicht hier. Nicht in unserem Land. Schickt sie alle dahin, wo der Pfeffer wächst.

In dieser emotionalen aufgeheizten Situation ist es wichtig, nicht nur mit Sachargumenten – Grundgesetz, Bauordnung, Religionsfreiheit, historische Verantwortung u. ä. – zu argumentieren und aufzuklären, sondern deutlich die Notwendigkeit von Humanität und die Chance von kultureller Vielfalt und Weiterentwicklung aufzuzeichnen.

Natürlich wird dieser Prozess kein einfacher, geschwiege denn problemloser Weg sein. Aber mit Abgrenzung, Ignorieren von menschlichem Leid, Not, Vertreibung oder gar Todesangst von Flüchtlingen werden wir diese Fragen nicht nachhaltig lösen. Für ebenso wichtig halte ich die seit Jahrzehnten gemachten positiven Erfahrungen mit Integration von Menschen anderer Länder und anderer Kulturen, wie z. B. in den 1950er und 1960er Jahren mit den italienischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und später mit den türkischen.

Es gibt nicht nur in der Geschichte, sondern auch aktuell unzählige Beispiele, wie sich Muslime in unserer Gesellschaft integrieren. Denn bereits seit rund 260 Jahren existieren muslimische Religionsgemeinschaften in Deutschland und bereits vor über 100 Jahren wurde die erste Moschee in Berlin-Wünsdorf errichtet. Heute leben über 4 Millionen Muslime in Deutschland, womit der Islam die drittgrößte Religionsgemeinschaft darstellt. Somit ist der Islam keineswegs „kulturfremd“ oder „fremdartig“, sondern seit langem ein fester Bestandteil unserer Gesellschaft.

Ich hatte die Gelegenheit, die Marbacher Bürgermeisterin Katrin Böhlke bei einem Besuch einer Gemeinschaft der Ahmadiyya-Gemeinde in Berlin Heinersdorf zu begleiten. Als hier vor zehn Jahren die Baupläne bekannt wurden, gab es ähnliche Ängste und Proteste in der Bevölkerung. Letztlich hat sich nicht ein einziger der vorgebrachten Einwände und Befürchtungen wie Zuzug von Muslimen, Ausbildungsstätte des Islamismus und Terrorismus, Beeinträchtigung und Rückgang der Grundstückswerte bestätigt. Heute leben die Gemeindemitglieder und die Heinersdorfer friedlich miteinander. Frau Böhlke hat dies auch noch einmal in einem Interview im Berliner Tagesspiegel zur Kenntnis gegeben [HIER nachzulesen].

Die gegenwärtig initiierten Bürgerbegehren gegen den Bau der Moschee in Marbach haben nur ein Ziel und dies bringen Akteure und Verantwortliche der AfD, wie Herr Möller, klar zum Ausdruck. Er machte deutlich, dass nicht ein religiöser, gleichberechtigter Anspruch hergestellt werden soll, sondern gezielte Diskriminierung einer Glaubensrichtung. Ein buddhistischen Tempel, das ist für ihn okay, solange er halbwegs schön deutsch aussieht. Man erlaubt also, bei allem Deutschtum, anderen Glaubensgemeinschaften die Errichtung ihrer Gebetshäuser, will dies aber dem Islam verweigern. Wer in die jüngere deutsche Geschichte schaut, wird beängstigende, mit Blick auf das Judentum, Parallelen feststellen.  

Die evangelische und katholische Kirche Erfurts haben sich für den geplanten Moscheebau ausgesprochen. Bischof Neymeyr verwies darauf, dass derjenige, der in anderen Ländern Religionsfreiheit fordert, den religiösen Minderheiten im eigenen Land nicht vorenthalten dürfe.

Letztlich ist der Aussage Bodo Ramelows nichts hinzuzufügen: „Die Pläne für den Bau einer Moschee in Erfurt werden eine Bereicherung des kulturellen Lebens der Stadt sein".